Digitaler Rollendruck: Werden die Akzidenzdrucker verführt? -- drupa - 2028 - Messe Düsseldorf
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Digitaler Rollendruck: Werden die Akzidenzdrucker verführt?


 

















von Edward Lichtner, freier Journalist für Caractère

Während wir auf die drupa und die für sie typische Innovationswelle warten, zieht die Redaktion des Caractère-Magazins eine Bilanz der Technologie des digitalen Rollendrucks, basierend in erster Linie auf dem Inkjet-Druck. Stets hat es geheißen, Bogenoffsetdrucker würden niemals auf den Rollendruck umsteigen. Doch der digitale Rollendruck wird zunehmend attraktiver. Wir können davon ausgehen, dass die drupa einmal mehr zur globalen Bühne für Innovationen wird.

Bislang war der Einsatzbereich des Rollendrucks auf ausgewählte Marktsegmente wie den Transaktions- oder den einfarbigen Buchdruck beschränkt. Jetzt öffnet ihm die Inkjet-Technik im Zusammenspiel mit den zugehörigen Weiterverarbeitungssystemen neue Türen. In den letzten Jahren haben viele Hersteller die Druckqualität ihrer Maschinen deutlich verbessert. Auch die Palette der Papiere, die sich mit diesen Systemen verarbeiten lassen, wurde erweitert. Im Ergebnis erschließt sich dem Inkjet-Rollendruck ein erheblich breiteres Anwendungsspektrum. Während das Druckvolumen im Transaktionsdruck und im Direkt-Marketing schrumpft, weil Verwaltungsdokumente, Rechnungen und Werbesendungen großer Einzelhandelsunternehmen digitalisiert werden, eröffnen sich ihm im Druck farbiger Bücher und im Akzidenzdruck neue Chancen – insbesondere im Web-to-Print-Markt.

 In Bereichen wie Fotoalben, Web-to-Print oder im Zeitungsdruck wird der digitale Rollendruck zunehmend als die richtige Lösung gesehen. Sei es, um den Offsetdruck gegen eine flexiblere und kosteneffizientere Technik zu ersetzen oder um digitale Bogendruckmaschinen auszustechen, deren Produktivität nicht mehr ausreicht. Dieser Trend hat sich in den vergangenen drei Jahren verstärkt. Im Schnitt produzieren Inkjet-Rollendruckmaschinen pro Jahr 160 Mio. A4-Drucke, gegenüber durchschnittlich 60 Mio. Drucken bei Bogendruckmaschinen. Kurz: Während man früher davon ausging, dass Offsetdruckmaschinen im 74er Format vom digitalen Bogendruck im B2-Format verdrängt werden könnten, scheint sich der Inkjet-Rollendruck jetzt – dem Trend im 52er-Format folgend – besser als Alternative zum Offsetdruck zu positionieren.

Optimierung der Druckqualität

Ein erfolgreicher Inkjet-Druck setzt eine Vorbereitung des Papiers voraus. Einfach ausgedrückt, ist es erforderlich, eine Rauheit auf der Oberfläche des Papiers zu erzeugen, um die Haftung der Tinte zu verbessern. Das gilt insbesondere für den Druck auf beschichtete bzw. gestrichene Papiere, wie er inzwischen mit Rollendruckmaschinen möglich ist. Damit Druckereien hier mit den gleichen Papieren wie im Offsetdruck arbeiten können, bieten die Hersteller der Digitaldruckmaschinen die Möglichkeit, vor dem Druck einen Primer bzw. eine Grundierung aufzutragen. Hier sind verschiedene Formulierungen möglich. Mit seiner ColorGrip-Technologie, die zum Lieferumfang der ProStream 1000-Druckmaschinen gehört, trägt Canon einen Primer auf die gesamte Oberfläche der Seiten auf. HP verfolgt einen ähnlichen Ansatz, platziert die Tröpfchen mit dem Primer aber nur dort, wo die Tintentröpfchen aufgetragen werden. Indem das Unternehmen den Primer-Auftrag auf die zu bedruckenden Bereiche begrenzt, will es den Materialverbrauch verringern und das Mattieren von Glanzpapieren vermeiden.

Alternativ kann für den Inkjet-Druck vorbehandeltes Papier verwendet werden (es ist etwa 10 % teurer als herkömmliches Papier), das bereits geprimert wurde. Bei Ricoh kann die Grundierungstechnologie optional hinzugefügt werden. Die für das Drucksystem VC70000e angebotene Option optimiert die Druckqualität, indem auf das Papier vollflächig eine Duplex-Grundierung aufgetragen wird. Screen wiederum integriert den Primer direkt in die Tinten, so dass er nicht separat aufgetragen werden muss. In nahezu allen Fällen – egal, ob für den Inkjet-Druck vorbehandelt oder nicht – ist in den Druckprozessen eine Form von Grundierung involviert. Auf der kommenden drupa werden sich Druckdienstleister auf den verschiedenen Messeständen ihre eigene Meinung bilden können.

Über die Bedruckstoffe hinaus sollten Druckdienstleister beim Vergleich der auf dem Markt angebotenen digitalen Rollendruckmaschinen auch die Inkjet-Druckköpfe berücksichtigen, die in diesen Maschinen eingesetzt werden. Hier gibt es zwei Denkschulen. Die Mehrheit der Hersteller hat sich für piezoelektrische Druckköpfe entschieden, bei denen der Ausstoß der Tintentröpfchen mechanisch ausgelöst wird. HP dagegen hebt sich von ihnen mit thermischen Druckköpfen ab. Bei ihnen wird der Ausstoß der Tintentröpfchen per Temperaturanstieg ausgelöst. Der Hauptunterschied besteht darin, dass HP die thermischen Druckköpfe als Verbrauchsmaterialien betrachtet. Die Köpfe sollen im Schnitt alle 100 bis 300 Liter ausgewechselt werden, was zwei bis drei Kopfwechsel pro Woche bedeutet. Im Gegensatz dazu werden piezoelektrische Druckköpfe erheblich seltener ausgetauscht, erfordern jedoch Bedienereingriffe. Allerdings sind sie auch teurer. Was die Gesamtkosten anbelangt, sollen diese aber in etwa gleich sein.

Es bleibt abzuwarten, ob wir auf der drupa 2024 den Markteintritt neuer Anbieter oder wegweisende neue Technik sehen werden – und ob sich damit auch für Hersteller von Weiterverarbeitungssystemen neue Möglichkeiten eröffnen, die auf der drupa ebenfalls ihre jüngsten Innovationen präsentieren werden.

Welche Weiterverarbeitungslösungen braucht der Inkjet-Rollendruck?

Die Weiterverarbeitung ist ein Bereich, der im Rollendruck besondere Beachtung erfordert. Hier verfügen alle Druckereien über ihre eigenen Lösungen. Integrationskonzepte sind auf verschiedenen Ebenen realisierbar, und sie werden mit unterschiedlichen Ansätzen den Anforderungen von Druckdienstleistern an die Automatisierung der Produktionsprozesse gerecht.

Im Fall der Offline-Weiterverarbeitung werden die Arbeitsschritte in – vom Druck unabhängigen – Prozessen und je nachdem mit mehreren Systemen ausgeführt, die unterschiedliche Aufgaben der Weiterverarbeitung übernehmen. Die in die Druckmaschinen integrierte Ausstattung umfasst typischerweise einen Abwickler am Einzug – optional Lösungen, die zwei Rollen in die Druckmaschinen einziehen – und einen Aufwickler in der Ausgabe. Die Aufwickler produzieren Rollen mit vordefinierten Durchmessern und stellen sich auf neue Rollen um, ohne den Produktionsprozess zu unterbrechen. Anschließend werden die bedruckten Rollen zu separaten Linien für die Endverarbeitung transportiert. Bei diesem Ansatz können die Digitaldruckmaschinen ohne Stillstandszeiten mit ihrer Nenngeschwindigkeit arbeiten.

Die gängigste Online-Weiterverarbeitung umfasst die Schritte, die erforderlich sind, um versandfertige Transaktions-Dokumente oder Bücher und Kataloge zu produzieren, die anschließend nur noch gebunden werden müssen. Eine solche Konfiguration umfasst im Normalfall einen Puffer am Ausgang der Druckmaschinen, in dem sich eine bestimmte Länge der bedruckten Bahn ansammelt, um die wenigen Sekunden Stillstandszeit zu überbrücken, die die Schneidemaschine benötigt. Es folgen ein Rollenschneider zum Längsschneiden der bedruckten Bahnen, eine Maschine für das Schneiden der Seitenformate und ein Stapler zum Stapeln der Seiten in der richtigen Reihenfolge. Schließlich werden die bindefertigen Buchblöcke abtransportiert. Am Ende der Linien können zusätzlich Falzapparate für das Querfalzen integriert werden. Im Transaktionsdruck speisen die Druckmaschinen unmittelbar dynamische Stanzaggregate, die die Bahnen für Akkordeonfaltungen oder abtrennbare Coupons mikroperforieren. Auch seitliche Stanzungen (Binderlöcher) sind möglich. Bei Bedarf durchlaufen die Bahnen Puffer, Stanzen und Falzapparate.

Die meisten Konfigurationen beschränken sich auf die Herstellung bindefertiger Dokumente, eventuell mit Vorverklebung. „Im Normalfall ziehen es Druckdienstleister vor, die übrigen Prozesse mit Offline-Systemen auszuführen. Denn die Geschwindigkeiten in der Herstellung der Buchblöcke und der Bindearbeiten können variieren“, erklärt ein Sprecher von Hunkeler. Dennoch bietet der Hersteller eine Lösung an, die seine Buchblock- oder Signaturproduktionssysteme über ein Förderband mit den Weiterverarbeitungssystemen von Partnerunternehmen verbinden. „Sofern es Druckdienstleister wünschen, können wir einen Sammelhefter inline integrieren. In ihm lassen sich Signaturen sammeln und heften. Diese Lösung ist für Broschüren oder Zeitschriften interessant. Für das Buchbinden können wir auch ein Bindesystem integrieren“, so der Sprecher von Hunkeler. Abschließend sollte noch erwähnt werden, dass automatisierte Produktionslinien sogar noch über das Binden hinausgehen können – mit Robotern, die die Druckerzeugnisse palettieren. Am Ende verlassen die verpackten und versandbereiten Paletten die Produktionslinien.

Über den Autoren:

Edward Lichtner ist ein freier Journalist mit Sitz in Paris und regelmäßiger Autor von Caractère. Er beobachtet seit 1995 aufmerksam die technischen und wirtschaftlichen Trends in der Druckindustrie.


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Zitate

„Im Zusammenspiel mit den zugehörigen Weiterverarbeitungssystemen öffnet die Inkjet-Technik dem digitalen Rollendruck neue Türen.“
 

„Während das Druckvolumen im Transaktionsdruck und Direkt-Marketing schrumpft, weil Verwaltungsdokumente, Rechnungen und Werbesendungen großer Einzelhandelsunternehmen digitalisiert werden, eröffnen sich dem Inkjet-Rollendruck im Druck farbiger Bücher und im Akzidenzdruck neue Chancen – insbesondere im Web-to-Print-Markt.“

 

 

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