Dieser Artikel richtet sich an all jene, die bei Kundenprojekten drucktechnisch neue Wege beschreiten wollen, ihre Auftraggeberinnen und Auftraggeber hier aber zögerlich sind, weil sie die Vorteile der innovativen Lösungen nicht erkennen und nicht verstehen, weshalb sie hier Pionierarbeit leisten sollten.
Ich bin Designer und Design-Stratege. Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt auf der Verpackungsindustrie. Hier arbeite ich (zunehmend auch online) für Marketing- sowie Brand-Managerinnen und -Manager von Herstellerunternehmen, die beliebte Markenprodukte über Supermarktketten verkaufen. Seit einigen Jahren setze ich mich dafür ein, in der Verpackungsgestaltung die innovativen Möglichkeiten und Vorteile des Digitaldrucks für kreative, dynamische Lösungsansätze zu nutzen. Im Zeitalter der künstlichen Intelligenz beschleunigt sich das Tempo der Veränderungen, doch meine Kundinnen und Kunden erkennen die sich daraus ergebenden Chancen nicht deutlich genug. So bleibt es eine Herausforderung, sie zu überzeugen, neue Dinge auszuprobieren. Der Wandel ist beständig, und aus meiner Sicht ist das Vorantreiben technischer Innovationen eine zeitlose Aufgabe. In diesem Beitrag berichte ich über meine Erfahrungen.
Wenn Sie „neue Lösungen“ anbieten, werden diese nicht für jedermann geeignet sein. Die meisten Kundinnen und Kunden bevorzugen bewährte Vorgehensweisen gegenüber Neuem, das sich in der Praxis noch nicht bewährt hat. Daher sollten Sie unter Ihren Kontakten zunächst Personen finden, die offen dafür sind, andere Wege auszuprobieren. Und die sich von ihrem Mut inspirieren lassen. Idealerweise handelt es sich um Personen, die jung genug sind, sich einen Namen zu machen, und alt genug, um unabhängige Entscheidungen zu treffen. Zudem sollten sie mit echter Begeisterung die Ergebnisse ihre Arbeit verbessern wollen – und nicht nur nach Effizienz streben.
Sobald Sie solche Personen ausgemacht haben, sollten Sie zwei wichtige Aspekte ihres Berufslebens analysieren: Finden Sie heraus, was Ihren Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern schlaflose Nächte bereitet, welche Sorgen und Herausforderungen sie beschäftigen. Dann finden Sie heraus, was sie antreibt bzw. motiviert, das Bett zu verlassen und zur Arbeit zu gehen. Wenn Sie die wichtigsten Probleme Ihrer Kundinnen und Kunden verstehen und ihre wichtigsten Fragestellungen kennen, können Sie einschätzen, ob die Innovationen, die Sie vorantreiben wollen, für sie intelligente Lösungen sein können. Das Prinzip ist einfach: Stellen Sie die richtigen Fragen an die richtigen Personen, hören Sie sich ihre Antworten aufmerksam an und streben Sie Situationen an, die für alle Seiten Vorteile mit sich bringen.
Entscheidend ist zudem, dass Sie ein begeisterter, gut informierter und inspirierender Fürsprecher sind. Sie werden Andere nicht gewinnen können, wenn Sie selbst nicht überzeugt sind.
Wie Henry Ford meinte: „Man kann sich nur mit dem Lorbeeren verdienen, was man geschaffen und nicht nur angekündigt hat.“ Wer Interesse wecken will, muss erfolgreiche Beispiele für die von ihm favorisierte Technik vorweisen können. Tatsächlich werden die ersten konkreten Ergebnisse häufig erzielt, indem die erste Arbeit „verschenkt“ wird, um ihren Wert zu beweisen. Um es ganz deutlich zu sagen: Sie müssen selbst einen Beitrag dazu leisten – während Ihrer Freizeit und mit Ihrer eigenen Arbeitskraft.
Die von mir gemeinsam mit HP und der britischen Design-Agentur Yarza Twins entwickelte limitierte Edition der Smirnoff-Flasche geht auf eine E-Mail zurück, die ich unter der Überschrift „Free Lunch?“ („Risiko- und kostenlos“) an das Diageo-Entwicklerteam schickte. Ich bat sie einfach darum, mir ein Markenprodukt zu überlassen, anhand dessen ich die Möglichkeiten der Technik demonstrieren konnte. Ich bat um eine Chance für uns, die Qualität unserer Lösung beweisen zu können. Erfreulicherweise kamen sie dieser Bitte nach.„Wir können bessere Qualität schneller und kostengünstiger liefern. Allerdings sind nur zwei dieser Verbesserungen gleichzeitig erreichbar.“ So werden Sie Ihre Vorschläge typischerweise Kundinnen und Kunden unterbreiten. Doch die Ansprüche Ihrer Auftraggeberinnen und Auftraggeber werden sich schnell weiterentwickeln. Schon bald werden sie erwarten, dass Sie alle drei Verbesserungen möglich machen.
Um echtes Interesse zu wecken, muss der Wert Ihrer Innovationen mit mehreren Zielsetzungen im Einklang stehen:
Das ist der ausschlaggebenden Punkt: Es geht darum, die finalen Produkte kreativ aufzuwerten. Werden die Leute bereit sein, mehr für sie zu bezahlen? Werden sie Interesse wecken und werden die Absatzzahlen steigen? Werden sie dort Beachtung finden, wo das zuvor nicht der Fall war? Werden sie die Wettbewerber Ihrer Kundinnen und Kunden durchschnittlich erscheinen lassen? Sofern Sie diese elementaren Punkte bejahen können, sind Sie in einer guten Position und werden Ihre Angebote auf die individuellen Anforderungen Ihrer Kundinnen und Kunden zuschneiden können.
Nur Leichtsinnige würden ihre berufliche Laufbahn, ihr Kerngeschäft oder ihren Markennamen mit unerprobten neuen Ansätzen aufs Spiel setzen. Aber es gibt ein magisches Wort, das das geplante Vorhaben in Gang setzen kann: „Pilotprojekt“.
Fangen Sie mit kleinen Projekten an. Betrachten Sie die ersten Schritte als Experimente mit geringem Risiko – scheitern sie, haben sie lediglich etwas Zeit und Energie gekostet. Funktionieren sie aber, können Sie den Prozess anpassen, optimieren und auf kontinuierlich größere Projekte übertragen. Schaffen Sie Vertrauen. Lernen Sie aus der Praxis dazu. Dann stehen die Chancen gut, dass sich daraus weitere Aufträge für Sie entwickeln.
Ein wichtiger Punkt: Urheberrechtsfragen rund um die künstliche Intelligenz sind aktuell und eine Herausforderung. Ich ermutige meine Kundinnen und Kunden, die Möglichkeiten dieser Technik auszuloten, aber mit der Vermarktung zu warten – es sei denn, sie sind sich der Herkunft ihrer Arbeit sicher.
In der wettbewerbsintensiven Szene der Kreativ-Agenturen und Lösungsanbieter in der Druckindustrie ist es üblich, „über Leichen zu gehen“. Dreht es sich allerdings um Innovationen, kann es geschehen, dass Sie die größeren Herausforderungen und künftigen Prozesse Ihrer Kundinnen und Kunden aus den Augen verlieren, wenn Sie sich lediglich auf den Verkauf Ihrer Angebote fokussieren. Wollen Sie größere Durchbrüche erreichen, sollten Sie mit anderen wichtigen Lieferanten oder Teams zusammenarbeiten.
Buntglasfenster können hierzu als Analogie dienen. Sie waren vermutlich das weltweit erste Beispiel für Massenkommunikation. Ingenieure entwickelten Techniken, die es ermöglichten, mit Hilfe fliegender Strebepfeiler in tragenden Wänden Öffnungen zu erzeugen. Handwerker beherrschten die Kunst, Glas zu färben und zu Bildern zu formen. Und das „Marketing“ generierte eine fesselnde Geschichte dazu, dass wir das Licht sind. Indem diese Elemente miteinander kombiniert wurden, erlebten die sonntäglichen Gottesdienstbesucher ihren Glauben auf ganz neue Weise.
Bei der Vermarktung der SmartStream-Software von HP, auf der die Digitaldrucklösungen des Unternehmens basieren, erkannte ich, dass ich allein nicht weiterkam. Um eine Brücke schlagen zu können, wollte ich die Begabungen des renommierten Künstlers Sir Peter Blake und des erfahrenen Druckers F. E. Burman gewinnen und bündeln. Gemeinsam mit den Software-Entwicklern von HP Indigo schoben wir die Grenzen der Technologie weiter hinaus und setzten einen Austausch rund um ihre kulturelle Bedeutung in Gang. Gelingt es uns, mit Hilfe anderer Brücken zu schlagen, können wir unsere Branche tatsächlich verändern.
Abschließend möchte ich feststellen, dass es nichts wirklich Neues gibt. Eine erfolgreiche Unterstützung eines radikalen technischen Umbruchs hängt von sehr einfachen menschlichen Grundprinzipien ab. Seien Sie engagiert und positiv. Stehen Sie neuer Technik aufgeschlossen gegenüber. Seien Sie offen für Partnerschaften und Teamarbeit und bemühen Sie sich um konkrete Lösungen für die Probleme Ihrer Kundinnen und Kunden. Auf diese Weise sind Sie gut aufgestellt, neue Aufträge zu gewinnen – und haben dabei auch noch Spaß.
Silas Amos zeichnet, seit er Buntstifte halten kann. Er denkt in Bildern und versucht, klar verständlich zu sprechen. Er arbeitet als Kreativ-Direktor und Stratege für große Unternehmen wie HP und Unilever, aber auch für kleine Unternehmen wie eve sleep und globale Konzerne wie Dentsu Aegis Network. Er war einer der Gründer der Branding-Agentur jkr und hat dort über 25 Jahre hinweg das Geschäft gelernt. Als ihr strategischer Direktor bei der Erneuerung von Markenauftritten von Unternehmen wie unter anderem Budweiser entwickelte Silas zunehmend Begeisterung dafür, wie neue Technologie die Gestaltung und den Einsatz von Verpackungen beeinflusst. Das wird auch das Thema seines Vortrags sein.
Amos ist erreichbar auf LinkedIn oder auf www.silasamos.com
„Eine erfolgreiche Unterstützung eines radikalen technischen Umbruchs hängt von sehr einfachen menschlichen Grundprinzipien ab.“
„Urheberrechtsfragen rund um die künstliche Intelligenz sind aktuell und eine Herausforderung.“
„Wenn Sie ‚neue Lösungen‘ anbieten, werden diese nicht für jedermann geeignet sein.“