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Wellpappenmaterialien für digitale Druckplattformen


 

















Von Nick Kirby – Förderer von Innovationen für die Herstellung von Verpackungen und Displays aus Wellpappe

Das Zusammenkleben von Papierrollen zu Wellpappe mag auf den ersten Blick einfach erscheinen. Aus technischer Sicht handelt es sich jedoch um einen komplexen Prozess, der mit vielen potenziellen Fallstricken behaftet ist. Nehmen wir als Analogie ein Orchester, das eine klassische Sinfonie spielt: Verfehlt nur einer der Musiker den Ton, klingt das Ergebnis dissonant und schräg. Zu vergleichbaren Resultaten führt es, wenn in Wellpappenanlagen (WPA) einer der vielen Prozessschritte, die hier miteinander verknüpft sind, nicht mit den anderen synchronisiert ist: Das Ergebnis sind minderwertige Produkte, die für den Digitaldruck und die nachfolgende Weiterverarbeitung wenig geeignet sind.

Eine moderne Wellpappenanlage von Fosber

Digitaldrucksysteme gibt es für viele Wellpappenformate, mit verschiedenen Druckfarbensystemen und Druckqualitäten sowie zu unterschiedlichen Preisen. Alle vereint eine Anforderung: Nur bei konstant hoher Wellpappenqualität können sie bei höchster Effizienz beste Druckergebnisse produzieren. In den Anfangszeiten des Digitaldrucks fehlte bei den Wellpappenherstellern schlichtweg die Einsicht, dass sie ihren Kundinnen und Kunden zuverlässig Wellpappe von hoher Qualität liefern können mussten. Vielmehr vertraten sie den Standpunkt, in der Wellpappenproduktion seien die qualitativen Möglichkeiten begrenzt und die Hersteller der Digitaldruckmaschinen müssten die Schwachstellen von Wellpappe akzeptieren. Es sei die Aufgabe der Hersteller, ihre Maschinen so zu konstruieren, dass sie die schwankende Qualität der Wellpappen ausgleichen. So verhinderte die unverlässliche Qualität der Wellpappenmaterialien den Aufstieg des Digitaldrucks in diesem Markt. Um für den Digitaldruck eine neue Ära einzuläuten, musste man gemeinsam einen neuen Ansatz entwickeln.

Die Notwendigkeit einer Veränderung wurde erkannt

Digitaldruckmaschinenhersteller wie HP und EFI haben in der Vermarktung der vielen neuen Optionen, die der Digitaldruck auf Wellpappe mit sich bringt, hervorragende Arbeit geleistet. Das gilt zum Beispiel für Möglichkeiten der Versionierung oder für die effiziente Herstellung von E-Commerce-Verpackungen und kleiner Stückzahlen. Doch viele der physikalischen Herausforderungen im Digitaldruck waren mit uneinheitlichen Wellpappenqualitäten wie unter anderem Up-Warp- und Down-Warp-Krümmung, Schwankungen der relativen Luftfeuchtigkeit und ungleichmäßigen Oberflächen verbunden. In den Anfängen der digitalen Single-Pass-Bogendruckmaschinen habe ich persönlich viele Demos besucht und festgestellt, dass ein Großteil der Stillstandszeiten eine unmittelbare Folge schlechter Materialqualitäten war. 

Maschinenstillstände können genauso von minderwertigen Wellpappenbogen verursacht werden – je nachdem führen sie zu Problemen in der Zuführung, im Bogentransport, in der Stapelung oder zu Schwierigkeiten mit den Druckköpfen. Digitaldruckmaschinen mögen keine Stillstände. Sie arbeiten am besten im Nonstop-Betrieb.

Entscheidend ist, dass Innovationen im Digitaldruck von Wellpappenunternehmen unterdrückt wurden, die keine Notwendigkeit sahen, ihre Prozesse zu verändern, sondern von den Digitaldruckherstellern erwarteten, die etablierte Technik zu akzeptieren. Im Grunde war die Situation einfach: Sollten die Möglichkeiten, die diese Drucktechnologie in neuen Marktsegmenten eröffnete, maximal ausgeschöpft werden können, mussten die Wellpappenunternehmen mehr Verständnis für die Forderungen der Digitaldruckmaschinenhersteller aufbringen und sich auf die Produktion hochwertiger Wellpappenbogen konzentrieren. Der Ausgangspunkt für diese wegweisenden Veränderungen war das Papier, aus dem Wellpappen hergestellt werden.

Papier

Wellpappe ist bekannt für seine Festigkeit, Haltbarkeit, Bedruckbarkeit, Kosteneffizienz, Vielseitigkeit und Nachhaltigkeit. Als althergebrachtes Material für industrielle Anwendungen ist es in den vergangenen hundert Jahren kaum verändert worden. Allerdings haben Innovation im Bereich der Drucktechnologien wie unter anderem im Flexo- und im Offsetdruck den Markt in jüngerer Zeit veranlasst, höherwertige Papierqualitäten anzubieten. Auch der Digitaldruck als kontaktloser Prozess hat der Weiterentwicklung von Papier in Richtung höherwertiger Qualitäten und damit besserer Druckergebnisse Impulse gegeben.

Sowohl die Hersteller der Digitaldruckmaschinen als auch die Papier- und Wellpappenhersteller erkannten die Notwendigkeit, in der Entwicklung neuer Papiere und Produktionstechniken zusammenzuarbeiten, um schneller voranzukommen. Daraus resultierte ein gemeinsames Verständnis mit gemeinsamen Zielen. Dank der Zusammenarbeit der Hersteller der Digitaldruckmaschinen und der Hersteller der Materialien – die heute mit dem Digitaldruckprozess vertraut sind – wurde es möglich, die Entwicklungskosten zu senken und schneller geeignete Lösungen zu finden. Smurfit Kappa zählt zum Beispiel in der Entwicklung von Wellpappenbogen für den Digitaldruck zu den Pionieren, die gemeinsam mit unter anderem HP neue Arten von Wellpappenbogen auf dem Markt kommerziell verfügbar machen. Digiflute® von Smurfit Kappa ist ein Exempel dafür, in welcher Form sich diese Zusammenarbeit bewährt.

Produktion von Digiflute® von Smurfit Kappa

Auch innovative Papiere haben die Druckqualität bei allen Drucktechnologien deutlich verbessert. Beispielsweise hat SAICA große Summen in seine Papiersorten Infinite Coated und Infinite Innova investiert, um der steigenden Nachfrage nach hochwertigen Papieren gerecht werden zu können. Sie ermöglichen sowohl im Digital- als auch im analogen Druck höhere Qualitäten.

Herstellung von Infinite Paper von SAICA

Zuführung und Transport der Materialien

Wellpappe ist von Natur aus ein „lebendes“ Material. Wie bei allen papierbasierten Materialien können sich seine Dimensionen nach dem Herstellprozess bei Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen verändern. Selbst wenn in der Produktion von Materialien für den Digitaldruck streng auf das Einhalten enger Toleranzen geachtet wird, müssen hier gewisse Schwankungen akzeptiert werden. Das Unternehmen HP hat sich stark auf die Minimierung der Stillstandszeiten konzentriert, die von Dimensionsschwankungen der Materialien verursacht werden.

HP’s innovatives System für die Zuführung von oben – es wurde speziell für die Single-Pass-Bogendruck-Plattformen (C500 & C550) entwickelt – ermöglicht die Verarbeitung einer breiteren Palette von Bedruckstoffen. Dazu zählen auch dünnere Wellen. Und da es sich um eine Zuführung von oben handelt, hat sie nicht damit zu kämpfen, dass die Gewichte der Stapel auf die zuzuführenden Wellpappenbögen drücken – diese Herausforderung ist bei Systemen mit Zuführung von unten inhärent. Das „Stack Topography Alignment“ prüft im Stacker mit Hilfe einer Reihe von Kameras die Paletten mit den Wellpappenbögen. Anschließend kann der Stacker die Topografie der Wellpappenbögen anpassen, um eine gleichmäßigere Zuführung zu ermöglichen. Diese Innovation toleriert im Maschinendurchlauf der Wellpappenbögen ein gewisses Ausmaß an Dimensionsschwankungen.

Das Stack Topography Alignment-System von HP

Einsatz von Primern auf Papier

Werden auf die Materialien Primer aufgetragen, können die Druckfarben auf ihren Oberflächen besser haften und trocknen – was die Qualität im Druck und der Druckerzeugnisse in entscheidender Weise verbessert. : Primer spielen auch – sobald die ausgestoßenen Tintentropfen auf der Oberfläche der Bedruckstoffe landen – eine wichtige Rolle.

Die Primer entscheiden darüber, wie schnell die Bedruckstoffe die Tinten absorbieren. Sie vermeiden sowohl eine zu starke Absorption (Punktzuwachs) als auch eine zu geringe Absorption, die Tinten als zu blass erscheinen lässt. Ein gleichmäßiger Primerauftrag reguliert die Absorption und maximiert bei gleichzeitig reduziertem Farbverbrauch die Farbqualität. Weitere Überlegungen zur Verwendung von Primern sind abhängig von der Oberfläche der Bedruckstoffe (glänzend, matt oder seidenmatt) und der Frage, ob wasserbasierte oder UV-Tinten verwendet werden sollen.

Auch hier ist die Zusammenarbeit zwischen den Herstellern der Papiere und der Digitaldruckmaschinen wichtig. Denn verschiedene Papiere erfordern verschiedene Primer. Aber aus Gründen der Effizienz ist es ratsam, mit lediglich einem Primer zu arbeiten. Auch die Haftung der Tinten auf den Bedruckstoffen beeinflusst in entscheidender Weise die Qualität von Verpackungen – sorgt sie doch für die Abriebfestigkeit, die in den nachgelagerten Prozessen wie Abpacken und Transport entscheidende Bedeutung haben kann. Hier wird ein Fortschritt in der Papierentwicklung erkennbar: Einige Papiere benötigen keinen Primerauftrag, da ihre Oberflächenschichten stabil und speziell für bessere Ergebnisse im Digitaldruck entwickelt wurden.

Beispiel für im Digitaldruck bedruckte Verpackungen aus Wellpappe.

Nachhaltigkeit und Tinten

Papier ist nachhaltig. Deshalb muss sichergestellt werden, dass auch die eingesetzten Tinten nachhaltig sind – insbesondere bei Verpackungsprodukten. Der Digitaldruck bietet die hervorragende Druckqualität, die Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten. Doch wie sieht es mit der Nachhaltigkeit der eingesetzten Tinten aus? UV-Tinten sind im flüssigen Zustand krebserregend. Sobald sie aber ausgehärtet sind, verwandelt sich ihre Molekularstruktur in einen Feststoff, und sie können mit den Verpackungsabfällen recycelt werden. Demgegenüber sind wasserbasierte Tinten harmlos und bringen keinerlei Gesundheitsfragen mit sich. Eventuelle Gesetzgebungen zum Entfernen der Tinte von Verpackungen dürften wasserbasierte Systeme begünstigen.

Druckmaschine HP Pagewide C550 (Wasserbasierte Tinten)

In der Welt des Digitaldrucks haben sowohl UV- als auch wasserbasierte Tinten ihre Berechtigung. Im Vergleich zu Displays für den Point-of-Sale unterliegen Verpackungen allerdings einer stärkeren gesetzlichen Kontrolle. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihnen in Kontakt kommen. Aus diesem Grund sind wasserbasierte Tinten wohl die beste Option für Verpackungen, soll doch die Sicherheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher gewährleistet sein. In Kombination mit den ohnehin schon guten Referenzen papierbasierter Verpackungen bin ich davon überzeugt, dass sich wasserbasierte Tinten mit ihrer Nachhaltigkeit höchstwahrscheinlich gegenüber UV-Tinten durchsetzen werden – und der technologische Fortschritt das begünstigen wird.

Digitaldruckmaschine Xeikon Idera für Wellpappe (Wasserbasierte Tinten)

Schlussfolgerung

Seit die Hersteller der Digitaldruckmaschinen, der Papiere und der Wellpappen enger zusammenarbeiten, ist die Qualität der Wellpappen für digitale Anwendungen signifikant besser geworden. Die Anbieter der Digitaldruckmaschinen haben selbst innovative Verfahren entwickelt, die den Schwankungen bei den Materialdimensionen, die nach dem Herstellprozess auftreten, besser gerecht werden. Unabhängig davon, ob sie in Ländern mit trockenem oder feuchtem Klima installiert werden, können sie ein gewisses Maß an Dimensionsabweichungen tolerieren. Am spannendsten ist allerdings, dass die Single-Pass-Technologien mit den historischen Herausforderungen in der Verarbeitung von Wellpappe stetig besser zurechtkommen!

Über den Autoren:

Nick Kirby arbeitet seit 44 Jahren in der Herstellung von Verpackungen aus Wellpappe, davon in den letzten 22 Jahren als CEO der Swanline Group.  Er fordert Konventionen gerne heraus, wobei er mit anderen Branchenexperten zusammenarbeitet – mit dem Ziel, Werte zu schützen. Kirby hat in der Branche viele Initiativen geleitet, darunter schon zu einem frühen Zeitpunkt im Einsatz der Digitaldrucktechnologien in der Herstellung von Verpackungen aus Wellpappe. 2022 verkaufte er die Swanline Group an Zeus Packaging. Seither arbeitet Kirby nach wie vor mit daran, die Grenzen der Nachhaltigkeit und Innovation in der Produktion von Verpackungen und Displays hinauszuschieben.

Kirby ist erreichbar unter LinkedIn 

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