Welchen Impact hat das Thema Nachhaltigkeit auf Prozesse und Businessmodels in der Packaging Branche? In einem Interview auf der Interpack 2023 haben wir mit Adrian Ritzhaupt des Unternehmens Mosca gesprochen. Das Thema Nachhaltigkeit hat schon lange Einfluss auf die Geschäftsmodelle und geschäftlichen Prozesse der Verpackungsindustrie genommen. Bereits vor 10 Jahren hat Mosca begonnen 100% Recyclingmaterial für seine Verpackungsprodukte zu verwenden.
Nicht nur durch rechtliche Restriktionen, wie die EU-Verordnung 2022/1616 über Recyclingkunststoffe für Lebensmittel. Die Lebensmittelverpackungen bilden einen großen Marktanteil der Branche. Die Politik arbeitet durch Verordnungen immer mehr am Schutz unserer Umwelt und der Verbraucher. Unsere Branche wird ebenso vom EU-Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft beeinflusst. Dieser fokussiert sich auf Verpackungen und gibt bereits einen digitalen Produktpass vor. Seit April gilt ein Gesetz, das Aussagen zur Klimaneutralität ohne Nachweis verbieten soll.
In einem Interview zum Thema „Nachhaltige Verpackungen“ im Podcast 20bluehours sprechen die Expertin Dr. Kerstin Hermuth-Kleinschmidt (NIUB) und der Experte Peter Désilets (pacoon sustainability concepts GmbH) über Nachhaltigkeit in der Verpackungsbranche und geben einen Ausblick auf den richtigen Umgang mit dem Thema sowie eine Anleitung zur nachhaltigen Herangehensweise.
Bei der Verpackung sollten nicht nur die einzelnen verwendeten Materialien beachtet werden. In den Recyclingstationen werden Verpackungen, die nicht materialrein sind oder unterschiedliche Codes für die Sortiermaschine aufweisen, aussortiert und landen auf dem Restmüll. Sie werden also nicht zurückgeführt in den Kreislauf.
Eine neue Technologie kann Informationen heute schon unsichtbar transportieren. In einem für uns unsichtbaren Code wird die prozentuale Zusammensetzung der Verpackung hinterlegt und nicht nur der Rohstoff selbst. Die Mischung der Materialien in Prozent müssen berücksichtigt werden, um zu entscheiden, ob ein Produkt recyclingfähig ist oder nicht.
Die Recyclingstationen lesen diese Codes aus und führen die Verpackung in den Kreislauf zurück. Peter Désilets ist deshalb der Meinung, dass dies bereits die Aufgabe des Designs und der Konzeption ist. Nachhaltigkeit beginnt für ihn bei der Verpackungsentwicklung.
Ein großer Punkt bei der Produktion von nachhaltigen Verpackungen ist die Globalisierung. Weltweit agierende Unternehmen sollten darauf achten, für einen Großteil der belieferten Länder nachhaltig zu produzieren, rät Désilets. Durch die verschiedenen Vorgaben der einzelnen Länder ist es schwer „die eine recyclingfähige Verpackung“ zu kreieren. Jedes Recyclingsystem funktioniert anders. Eine Verpackung, die in Deutschland zu 90% recyclingfähig ist, kann in einem anderen Land z.B. 0% betragen. So ist es wichtig den kleinsten gemeinsamen Nenner des Recyclings zu finden und die Verpackung dann für den größtmöglichen Markt recyclingfähig zu gestalten. Nur so ist man auch wirklich nachhaltig.
Angelehnt an die EU-Verordnung für die Wiederverwendbarkeit von Verpackungen für Lebensmittel, gibt es mittlerweile Ideen auf Basis von Pfandsystemen. Das wäre auch als internationale Lösung denkbar.
Von Recup, PET und anderen Marken kennen wir das Pfandsystem für Lebensmittel und Getränke bereits.
Dieses System könnte man auf Unternehmen aller Art bis hin zur Shampoo-Flasche ausweiten. Viele Unternehmen in der Pharma- und Automotiveindustrie setzen bereits auf ein Pfandsystem für Versandverpackungen. Im Moment allerdings nur inländisch. Für einen internationalen Prozess gibt es bereits Pilotprojekte.
Verschiedene Foren und Zusammenschlüsse für Kreislaufwirtschaft wollen das Thema Mehrweg über die Digitalisierung vorantreiben. Das gesamte Thema Recycling ist mittlerweile zum datengetriebenen Thema geworden. Wie oberhalb beschrieben werden Daten, wie Inhalte der Verpackung, mittels unsichtbarem Code übermittelt. Daten über die Recyclingfähigkeit eines Verpackungsproduktes werden aus vielen Datenblättern zusammengeschlossen.
Markus Hoffmann, von unserem Partner KURZ, beantwortet die Frage mit einem Ja und einem Nein.
Nein, weil Nachhaltigkeit auch die Verwendung von nachhaltigen Materialien bedingt. Es bedeutet Abfälle zu reduzieren. Das funktioniert auch ohne Digitalisierung.
Allerdings auch ja, denn die Digitalisierung erlaubt es der Branche kleinere Mengen zu produzieren und auch individuelle Mengen, die Abfall vermeiden.
Wie auch andere Experten, ist er der Meinung, dass Nachhaltigkeit nicht zwingend nur mittels Digitalisierung erreicht wird. Man kann ohne Digitalisierung beginnen, jedoch wird die Ökobilanz über Daten und deren richtige Nutzung verbessert.
Als produzierendes Gewerbe gehen Sie in der Regel davon aus, dass Sie nur alle 40 Jahre in eine Neuanschaffung von Maschinen investieren. Das Thema Nachhaltigkeit hat diese Regel allerdings ausgehebelt. Viele Unternehmen denken über eine Neuanschaffung nach. Es sollen Maschinen mit weniger Co2-Ausstoß, weniger Ressourcenverbrauch und auch digitalisierungsfähige Maschinen angeschafft werden.
Doch ist eine Neuanschaffung auch immer eine Bilanzierungsfrage. Der ROI ist oft schwer zu errechnen, da die häufige Unbekannte ein wichtiger Bestandteil dazu wäre: „Wie hoch ist der Anteil der Maschine an den Kosten einer Verpackung?“
Erst, wenn in der Produktionsstätte auch der Anteil errechnen werden kann, ist es möglich eine klare Entscheidung zu treffen.
Die neuen Maschinen haben oftmals einen geringeren Anteil an den Kosten. Wir reduzieren also nicht nur Energiekosten mit einer neuen Maschine, sondern erhöhen durch eine schnellere Produktion auch unsere Margen, verringern die Mitarbeiterkosten und vieles mehr. Es gibt einige Punkte, die in die Entscheidung einfließen sollen.
Neben der Anschaffung neuer Maschinen bieten heute viele Maschinenhersteller auch Leasingmodelle oder Sharingkonstrukte an. Auch dies sollte eine Überlegung wert sein. Der Anteil an hybriden Maschinen wächst stetig, weil mit ihnen ein Stillstand oft vermieden wird.
Laut Peter Désilets ist die Nachhaltigkeit abhängig von der Agilität und Offenheit im Herstellungsprozess.
Wie auch in diesem Beitrag sprechen wir oft nur von einem „Muss“ beim Thema Nachhaltigkeit. Die Expertenmeinung geht aber dahin, dass wir einen disruptiven Moment schaffen sollen.
Reinhard Schneider, Inhaber der Firma Werner & Mertz, die schon seit 2015 100% ihrer Verpackungsmaterialien aus recyceltem Material herstellen lassen, hat in einem Interview mit der WIrtschaftswoche auch über diesen disruptiven Moment gesprochen.
Er verdeutlicht, dass nachhaltiges Handeln als Unternehmen kein Trendthema ist, sondern das Beschreiten eines neuen wirtschaftlichen Zeitalters. Innerhalb des Unternehmens, das vor allem bei den Mitarbeitern beginnt. Der Führungsstil der Firma wird in einer wissenschaftlichen Arbeit als transformativ beschrieben. Im Gegensatz zum transaktionalen Führungsstil werden hier Überzeugungstäter geschaffen. Die Firma setzt auf mitbrennende und intrinsisch überzeugte Mitarbeiter, um den Prinzipien der Marke Frosch von Werner & Mertz gerecht zu werden.
Herr Schneider beweist immer wieder, dass das Thema Nachhaltigkeit für ihn und das Unternehmen kein Marketinggag ist, sondern das Marketing erst auf die Einstellung folgte. Selbst für die Konkurrenz bietet Frosch Open Innovation Days an, zu denen auch Mitbewerber eingeladen werden. Auf diesen Innovationstagen geht es um die Wissensvermittlung zum Thema Nachhaltigkeit und Verpackung oder nachhaltige Firmenprozesse. Es findet ein technologischer Austausch statt um eine umweltfreundliche Kreislaufwirtschaft zu betreiben.
Sein größter Pain in Sachen Konkurrenz sind Falschaussagen über die Ökobilanz oder Nachhaltigkeit von Produkten. Oft wehrt sich Herr Schneider auch juristisch dagegen. Dabei steht für ihn aber nicht im Vordergrund der Konkurrenz zu schaden.
Er befürchtet einen großen Vertrauensverlust des Consumers gegenüber allen Branchenteilnehmern. Seine Kritik zielt also darauf, den allgemeinen Vertrauensverlust in die Branche, der heute nach seinen Aussagen höher denn je ist, aufzuhalten.
Die Experten sind sich über eine Sache einig: Es braucht eine Zusammenarbeit – branchenintern und branchenübergreifend – um Nachhaltigkeit in der Verpackungsindustrie zu erreichen.
Mit den Sustainable Media Guides, Umdex und der Forever Green Alliance sind ein guter Anfang gemacht den disruptiven Moment der Branche zu erreichen. Auf die Verpackungen muss die gesamte Wertschöpfungskette Einfluss haben. Der Round Table sollte alle mit einbeziehen: Brandowner, Designer, Maschinenbau, Hersteller, Veredelung und Kleberhersteller bis zum Consumerprodukt.
Nachhaltigkeit hat einen großen Einfluss auf unsere Prozesse, unsere Geschäftsmodelle und auch unsere Produkte. Gemeinsam kann die Branche auf internationaler Ebene eine bessere Recyclingfähigkeit erreichen. Über die Zusammenarbeit werden neue Materialien in den Kreislauf geraten und die Digitalisierung wird unser Recycling verbessern.
Ökoprofit ist ein Kooperationsprojekt zwischen Unternehmen und Kommunen. Es gilt als Einstieg für die Umweltmanagementsysteme EMAS und ISO 14001 und ist teilweise sogar staatlich gefördert. Im Gegensatz zu anderen Zertifizierungen geht es hier um die ökologische Effizienz eines Unternehmens. Diese soll erhöht, während gleichzeitig Betriebskosten gesenkt werden.