Farbmanagement bei Textilien: Und wie es in der Praxis funktioniert -- drupa - 2028 - Messe Düsseldorf Zum Hauptinhalt springen

Farbmanagement bei Textilien: Und wie es in der Praxis funktioniert

Der digitale Textildruck eröffnet enorme Freiheiten bei Designs und der Materialauswahl. Gleichzeitig ist die Farbkontrolle deutlich anspruchsvoller als bei glatten, papierähnlichen Medien. Stoffe dehnen sich, fusseln und wellen sich an den Rändern, zudem haben sie häufig andere optische Eigenschaften als Papier. Wer zuverlässige, wiederholbare Farbergebnisse erzielen will, muss den Messprozess deshalb gezielt auf die verwendeten Textilien ausrichten.

So gut wie jeder Druckauftrag beginnt heute mit einer digitalen Datei. Diese wird über einen Raster Image Prozessor (RIP) mit Farbprofilen nach dem Standard des International Color Consortium (ICC) verarbeitet und auf der Druckmaschine ausgegeben. Dabei ist das Farbprofil immer nur so gut wie die Spektraldaten, auf denen es basiert. Ein Spektralphotometer ist daher das wichtigste Werkzeug für robuste Drucker- und Medienprofile und nicht bloß eine visuelle Kontrolle oder eine Kamera.

Vorgaben der ISO 13655

Wenn es um die Farbmessung in der Druckindustrie geht, ist die internationale Norm ISO 13655 der zentrale Leitfaden. Sie legt fest, wie gemessen werden muss, damit Farben reproduzierbar, vergleichbar und qualitativ zuverlässig sind – unabhängig davon, wo oder auf welchem Gerät gedruckt wird.

Messgeometrie
Damit ein Messgerät das Licht unter den richtigen Winkeln auffängt und wiedergibt, wird eine sogenannte Messgeometrie festgelegt. Für Druckprodukte ist der Standardwinkel 45°/0° (oder umgekehrt 0°/45°). So lässt sich verhindern, dass Glanz oder Struktur das Ergebnis verfälschen.

Messbedingungen (M0–M3)
Diese Kürzel stehen für unterschiedliche Lichtbedingungen, unter denen gemessen wird. Das klingt technisch, ist aber wichtig:

  • M0 – Standardlicht mit unkontrolliertem UV-Anteil:
    Die Lichtquelle basiert meist auf einer Halogenlampe, bei der der UV-Anteil nicht genau geregelt ist. Viele ältere Messgeräte arbeiten mit M0.

    Nachteil: OBAs (optische Aufheller) können je nach Gerät unterschiedlich stark „aufleuchten“ – das führt zu nicht vergleichbaren Ergebnissen.
  • M1 – Tageslichtähnlich mit definiertem UV-Anteil (empfohlen bei OBAs):
    Simuliert standardisiertes Tageslicht (D50), wie es auch in normgerechten Lichtkabinen verwendet wird.

    Vorteil: Messungen von Materialien mit optischen Aufhellern sind realistischer und stimmen besser mit dem visuellen Eindruck überein. 
  • M2 – UV-Anteil herausgefiltert:
    Verwendet eine Lichtquelle ohne UV-Anteil. Dadurch werden fluoreszierende Effekte – etwa durch OBAs – komplett unterdrückt. Diese Messbedingung wird verwendet, wenn UV-bedingte Aufhellung nicht berücksichtigt werden soll, z.  zur wissenschaftlichen Auswertung.
  • M3 – Polarisierte Messung:
    Nutzt M2 plus einen Polarisationsfilter, der störende Spiegelungen auf glänzenden oder strukturierten Oberflächen reduziert. Ideal bei technischen Geweben oder seidenmatten Stoffen mit starkem Glanz.

Unterlage beim Messen
Damit die Farbe nicht durch das Material hindurch verfälscht wird (z. B. bei dünnen oder transparenten Stoffen), muss immer auf einer definierten weißen oder schwarzen Fläche gemessen werden. Eine improvisierte Unterlage, wie etwa ein Schreibtisch oder Karton, kann zu völlig anderen Werten führen.

Kurz gesagt: Die Einhaltung der Vorgaben der ISO 13655 sorgt dafür, dass Farbmessungen nachvollziehbar und vergleichbar sind – unabhängig davon, wer misst oder mit welchem Gerät.

Knifflige Textilien richtig messen: So gelingt es

  1. Strukturierte Oberflächen
    Strukturierte Oberflächen: Garne, Maschen und Gewebe erzeugen Mikrostrukturen mit Schatten und Vertiefungen. Ist die Messöffnung zu eng, erfasst sie nur einen kleinen Bereich, sodass lokale Abweichungen das Messergebnis überproportional beeinflussen. Bei strukturierten oder niedrig auflösenden Stoffen sorgt eine größere Blendenöffnung (6–8 mm) für ein stabileres und repräsentativeres Messergebnis.
  1. Verzerrte oder ungleichmäßige Messfelder
    Auch sorgfältig fixierte Stoffe liegen oft nicht völlig plan. Geräte mit bildbasierter Patch-Erkennung können das ausgleichen, indem sie die Messung automatisch korrekt positionieren. Sie messen also nicht dort, wo der Patch laut Vorlage sein sollte, sondern dort, wo er sich tatsächlich befindet. Einige Systeme am Markt arbeiten bereits erfolgreich nach diesem Prinzip.
  1. Fixierung und Unterlage
    Spezielle Halterungen für Textilproben, wie etwa elektrostatische Rahmen oder klebende Matten, sorgen dafür, dass auch dünne oder elastische Materialien faltenfrei und stabil liegen. Gleichzeitig stellen sie sicher, dass die Unterlage den Anforderungen der ISO-Norm entspricht. Bei stark lichtdurchlässigen Stoffen verhindern eine weiße Unterlage oder eine mehrlagige Probe, dass die Messwerte durch das Durchscheinen verfälscht werden.
  1. Fasern in der Messoptik
    Textilien fusseln, und lose Fasern im Bereich der Messblende können die Ergebnisse verfälschen. Dies gilt umso mehr, wenn sich mit der Zeit immer mehr Fasern von unterschiedlichen Stoffen ansammeln. Geräte, die speziell für den Einsatz mit Textilien entwickelt wurden, verfügen häufig über eine Luftspülung, um die Optik sauber zu halten. Aber selbst diese – und natürlich besonders Geräte ohne diese Funktion – sollten unbedingt einer regelmäßigen Reinigungsroutine unterzogen werden.
  1. Optische Aufheller und der Einfluss von Licht
    Viele Textilien enthalten optische Aufheller. Werden bei der Messung nicht die passenden UV-Anteile berücksichtigt, stimmen die Messergebnisse nicht mit dem visuellen Eindruck überein. Wenn Fluoreszenz eine Rolle spielt, sollte entsprechend der ISO 13655 mit M1 gemessen werden, da dies eine D50-ähnliche Lichtquelle simuliert. M2 ist nur sinnvoll, wenn UV-Anteile bewusst ausgeschlossen werden sollen. Bei stark strukturierten oder seidenmatten technischen Geweben kann M3 helfen, Reflexionen zu minimieren.

Welche Abweichung ist akzeptabel?

Nach der Messung zeigt der Delta E-Wert (ΔE), wie groß der Farbunterschied zwischen zwei Proben ist. Ein ΔE von 1-2,5 gilt als Schwelle für sichtbare Unterschiede. In der Praxis gelten folgende Richtwerte:

  • ΔE < 1: Unterschied nicht wahrnehmbar
  • ΔE 1-2: Nur bei direktem Vergleich sichtbar (gut für hochwertige Produkte)
  • ΔE 2-3,5: Sichtbar, aber oft noch akzeptabel (Standardbereich Textildruck)
  • ΔE > 3,5: Deutlich sichtbar, meist nicht akzeptabel 

Je nach Anwendung (Mode, technische Textilien, Werbebanner) variieren die akzeptablen Toleranzen erheblich.

Warum Tinte nicht gleich Tinte ist – und was das für Ihre Farben bedeutet

Das Ergebnis wird nicht nur durch unterschiedliche Materialien beeinflusst. Auch die verwendete Tinte hat einen entscheidenden Einfluss auf den Farbeindruck. Nicht jede Tinte „funktioniert“ gleich, was besonders im Textildruck wichtig ist. Je nachdem, welcher Tintentyp verwendet wird, kann dasselbe Motiv auf demselben Stoff ganz anders aussehen.

Im Textildruck gibt es verschiedene Arten von Tinten. Unter anderem werden häufig folgende verwendet:

Pigmenttinte: Sie haftet auf der Oberfläche des Stoffes und ist damit gut für einfache Anwendungen geeignet, hat aber teilweise ein eingeschränktes Farbspektrum.

Reaktivtinte: Diese Tinte reagiert chemisch mit der Faser  und wird häufig für Baumwolle verwendet. Sie ergibt brillante Farben, benötigt aber eine Nachbehandlung.

Dispersions- oder Sublimationstinte: Sie ist besonders für Polyesterstoffe geeignet, da sie ins Material „einziehen“ und dann sehr farbintensiv und haltbar sind.

Zu guter Letzt beeinflusst auch die Anzahl der verwendeten Farben im Drucksystem (z. B. 4-, 6- oder 8-Farb-Tinten mit Zusatzfarben wie Orange, Blau oder Grün) den Farbraum, den Ihre Druckmaschine überhaupt darstellen kann, also den Bereich an Farben.

Farbmanagement endet nicht beim Druck. Die Haltbarkeit der Farben – Waschechtheit, Reibechtheit und Lichtechtheit – wird durch separate ISO-Normen geprüft. Diese Eigenschaften hängen stark von der verwendeten Tinte und Nachbehandlung ab: Reaktivtinten sind nach korrekter Fixierung sehr waschbeständig, während Pigmenttinten ohne Fixierung beim Waschen leiden können.

Was heißt das für die Farbmessung konkret?

Selbst wenn zwei Drucksysteme mit derselben Datei gefüttert werden, kann das Ergebnis komplett unterschiedlich aussehen, da die Tinten unterschiedlich reagieren.

Der einzige Weg, um verlässliche Aussagen über Farbwirkung und Farbumfang zu treffen, ist das Drucken, Messen und Vergleichen. Dies muss jedoch genau für die verwendeten Materialien, Tinte und Maschinenkonfiguration erfolgen.

Um dennoch wiederholbare Ergebnisse zu erzielen, werden sogenannte ICC-Profile erstellt. Sie sorgen dafür, dass Bilder farblich korrekt in den „Farbraum“ der jeweiligen Druckumgebung übersetzt werden. Das ist auch der Grund, warum das International Color Consortium (ICC) empfiehlt, jeden Druckprozess individuell zu profilieren.

Trotzdem kann nicht jede Farbe aus der Designdatei von jedem Drucker dargestellt werden. Der sogenannte „Rendering Intent" im ICC-Profil legt fest, wie mit diesen Farben verfahren wird, um der ursprünglichen Darstellungsabsicht möglichst nah zu kommen:

Perzeptiv: Komprimiert alle Farben proportional – ideal für Fotos

Relativ farbmetrisch: Verschiebt nur Farben außerhalb des Farbraums – für Corporate Colors

Sättigung: Maximiert Leuchtkraft – für Grafiken und Charts

Aber Vorsicht! Die Wahl des falschen Rendering Intents kann zu matten oder verfälschten Farben führen.

Was ist also das Fazit?

Textilien lassen sich deutlich schwieriger vermessen als Papier. Mit den richtigen Kenntnissen und Vorkehrungen ist das jedoch sehr gut machbar. Wer sich an die ISO 13655 hält, passende Messbedingungen und größere Blenden verwendet, Stoffe stabil fixiert und die Optik sauber hält, erhält hochwertige Spektraldaten. Daraus entstehen Farbprofile, die das RIP korrekt interpretieren kann, sowie Druckergebnisse, die auch unter Produktionsbedingungen überzeugen. Ergo: Wer Textilien professionell bedrucken möchte, braucht keine Glückstreffer, sondern ein durchdachtes Farbmanagement.

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